Abhörskandal belegt kalten Putsch in Brasilien

Amtsenthebung von Präsidentin Rousseff sollte Ermittlungen gegen ranghohe Politiker stoppen. Oberste Richter involviert. Planungsminister abgesetzt

Brasília. In Brasilien sind vertrauliche Gespräche zwischen dem bisherigen Planungsminister Romero Jucá und einem hohen Funktionär des Erdölkonzerns Petrobras veröffentlicht worden. Aus diesen geht hervor, dass das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff eingeleitet wurde, um laufende Korruptionsermittlungen gegen führende Mitglieder der nun regierenden Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens (PMDB) zu sabotieren. Die geleakten Aufnahmen deuten auf informelle Abkommen zwischen Richtern des Obersten Gerichtshofs und rechts-konservativen Politikern sowie führenden Militärs hin. Am Dienstag trat Jucá, der nach wie vor der PMDB vorsteht, als Minister zurück.

Über Putschplanungen gestürzt: Romero Jucá
QUELLE: FABIO RODRIGUES POZZEBOM/AGENCIA BRASIL


Wie die Tageszeitung Folha de São Paulo am Montag berichtete, wurden der Zeitung die Abhörbänder aus Kreisen der Bundesstaatsanwaltschaft zugespielt. Die aufgezeichneten Gespräche vom vergangenen März erhärten die These eines sogenannten kalten Putsches gegen Präsidentin Rousseff – eines Staatsstreichs ohne Waffengewalt.

Demnach diskutierten der damalige Senator Jucá und der ehemalige Präsident der Transpetro, einer Tochtergesellschaft von Petrobras, Sérgio Machado, in mehreren Telefonaten die Notwendigkeit und die Möglichkeiten eines „Wechsels in der Bundesregierung“. Davon versprachen sich die beiden, den politischen „Aderlass“ zu stoppen, der durch Ermittlungen und Verhaftungen von Politikern mehrerer Regierungsparteien, Funktionären der Petrobras und Bauerunternehmern wegen Schmiergeldzahlungen und Preisabsprachen bei Aufträgen des Konzerns verursacht wurde.

Durch die Ermittlungen der so genannten Operation Lava Jato unter Vorsitz des Untersuchungsrichters Sergio Moro sind zum gegenwärtigen Moment 105 Personen verurteilt worden, gegen weitere 102 Personen laufen noch Verfahren.

Wie die Bänder belegen, war der Auslöser für die Gespräche die Befürchtung des früheren Petrobras-Funktionärs, vor Gericht zu Aussagen gegen Politiker der PMDB gezwungen zu sein. In einem der Telefonate soll Machado zu Jucá gesagt haben, dass „der (Generalstaatsanwalt Rodrigo) Janot kurz davorsteht, euch dran zu kriegen. Und er denkt, dass ich der Weg bin.“ Machado, der den Vorstandsposten der Transpetro auf Druck der PMDB erhielt, musste diesen 2014 nach zehn Jahren wegen des Verdachts räumen, Schmiergeld an PMDB-Politiker weitergereicht zu haben.

Vor wenigen Wochen dann soll sich Machado an führende Funktionäre der PMDB gewandt haben. Er fürchtete, die laufenden Untersuchungen gegen ihn könnten vom Obersten Gerichtshof in Brasília an Untersuchungsrichter Sergio Moro weitergereicht werden. Dieser wiederum würde Machado für eine Zeugenaussage, die zu Anklagen gegen weitere Verdächtige führte, im Gegenzug eine bedeutend geringe Gefängnisstrafe anbieten. Diese Strategie des Untersuchungsrichters gilt tatsächlich als einer der Gründe für die vielen Ermittlungserfolge in kurzer Zeit.

Angesichts der gegen ihn laufenden Ermittlungen habe Machado dem PMDB-Politiker Jucá gedroht und gefordert, dass eine „Struktur geschaffen wird, um ihn zu schützen“, wie die Folha schreibt. Laut Machado würden weitere Zeugenaussagen im Rahmen der Ermittlungen „keinen Stein auf dem anderen“ lassen. Jucá soll daraufhin bestätigt haben, dass der Fall Machado „nicht in Händen von (Ermittlungsrichter) Moro landen darf“.

Von Mario Schenk
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