Oppositionspartei strengt Verfahren gegen Michel Temer an. Zwei seiner Minister sollen Ämter missbraucht haben. Fünf Rücktritte im Kabinett
Brasília. In Brasilien strengt die oppositionelle Partei Sozialismus und Freiheit (PSOL) ein Absetzungsverfahren gegen den De-facto-Präsidenten Michel Temer an. Der Vorwurf: Duldung von Machtmissbrauch innerhalb seiner Ministerriege.
Hintergrund ist ein dubioser Fall von Amtsmissbrauch zweier Minister seiner Regierung, die vergangene Woche ihren Rücktritt einreichen mussten.
Am Strand von Salvador soll das Luxus-Hochhaus „La Vue Ladeira da Barra“ errichtet werden. Temers Regierungsminister Gedell Vieira Lima hat sich in dieser Immobilie als Privatmann bereits eine Wohnung gesichert. Das örtliche Denkmalschutzamt in Salvador hat nichts gegen den Bau des neuen Strand-Hochhauses. Doch die nationale Denkmalschutzbehörde (Iphan) erhebt Einwände, weil der Wohnturm in geplanter Höhe einen zu großen Kontrast zu historischen wertvollen Bauten in der Umgebung darstelle. Geddel zeigte sich nicht erfreut über diese Entwicklung. Mit seinem privaten Immobilien-Problem wandte er sich deshalb direkt an seinen Ministerkollegen, Kulturminister Marcelo Calero, dem das brasilianische Denkmalschutzamt untersteht. Weil Calero wohl nicht gewillt war, ihm bei dieser Immobiliengeschichte zu helfen, beschwerte sich Geddel bei seinem Vertrauten, dem Präsidenten.
Temer vermittelte darauf hin in dieser Frage zwischen seinen Ministern, statt den versuchten Amtsmissbrauch anzumahnen. Angeblich hat er dem Kulturminister geraten, er solle eine Lösung zu finden, die Minister Geddel angenehm sei.
Für die PSOL liegt hier eine strafbare Mitwisserschaft in einem Fall von versuchter Korruption vor. Temer soll zugelassen haben, dass ihm untergeordnete Minister ihre Macht und ihr Amt für persönliche Zwecke missbrauchen.
Ex-Minister Calero hat in dieser Sache ein Telefongespräch mit Michel Temer aufgezeichnet. Es liegt als Beweismaterial bei der brasilianischen Bundespolizei, die den Fall untersucht. Ob das Amtsenthebungsverfahren in Gang kommt, muss jetzt Rodrigo Maia, der Präsident der brasilianischen Abgeordnetenkammer entscheiden.
Von Eva von Steinburg
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