Ex-Sicherheitschef von VW in Brasilien zur Kollaboration mit Diktatur angehört

Opfer fordern Schuldanerkennung von VW do Brasil. Ehemaliger Oberst weist alle Vorwürfe zurück. Staatsanwalt will neue Dokumente von Mutterkonzern

São Paulo. Bei der Bundesstaatsanwaltschaft in São Paulo schreiten die Ermittlungen gegen den deutschen Autobauer Volkswagen voran. Im Rahmen der jüngsten Anhörungen vom Donnerstag musste unter anderem der ehemalige Sicherheitschef des Unternehmens, Adhemar Rudge, zu den Vorwürfen der Kollaboration mit dem Militärregime (1964-1985) und Verletzungen von Menschen- und Arbeitnehmerrechten Stellung nehmen. Rudge war damals Oberst der Streitkräfte.

Adhemar Rudge und Dr. Pedro Machado
QUELLE: MINISTÉRIO PÚBLICO DO ESTADO DE SÃO PAULO


Im September vergangenen Jahres hatte das Arbeiterforum für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung einen Antrag bei der Staatsanwaltschaft eingereicht, um die Fortsetzung der Untersuchungen gegen VW zu bewirken. Der Antrag beruht auf Aussagen von ehemaligen Arbeitern des Unternehmens und einer Reihe Archivdokumenten, die eine enge Zusammenarbeit des Autobauers mit den Sicherheitsorganen der Diktatur nahe legen. Die Vorwürfe umfassen unter anderem die Überwachung der Mitarbeiter innerhalb und außerhalb des Werksgeländes, die Weitergabe von Informationen an die Polizei und die Erstellung von „schmutzigen Listen“ über unliebsame Arbeiter.

Ex-Oberst Rudge stritt alle Vorwürfe vehement ab. Es habe weder Personenkontrollen noch Überwachung gegeben. Gewerkschaftsmitglieder hätten sich frei auf dem Werksgelände bewegen können. „Unsere Arbeit war nicht politisch, es ging einzig und allein darum, den Schutz des Eigentums sicherzustellen“, behauptete der 90-Jährige. „Niemand wurde je in der Fabrik festgenommen. Das hätte ich gewusst und ich hätte es nicht zugelassen“, so Rudge.

Bei einer Anhörung im vergangenen Dezember hatte der Metallarbeiter Lúcio Bellentani ausgesagt, Rudge sei bei seiner Festnahme durch Militärs am Arbeitsplatz im Jahr 1972 anwesend gewesen. Im Beisein des Sicherheitschefs sei er bereits auf dem Firmengelände geschlagen und verprügelt worden. Bellentani wurde anschließend sechs Monate in den Zellen der Sicherheitspolizei DOPS festgehalten, wo er regelmäßig gefoltert wurde.

Von einem Informationsaustausch zwischen dem Unternehmen und staatlichen Sicherheitsorganen will der an einer Militärschule ausgebildete Oberst nichts gewusst haben. Trotz einer umfangreichen Dokumentation von Treffen zwischen Sicherheitsabteilungen verschiedenster Unternehmen mit Vertretern des Militärs streitet Rudge ab, jemals an einem solchen Treffen teilgenommen zu haben. Seine Unterschrift auf einem Archivdokument, das die Kommunikation zwischen dem Unternehmen und der DOPS nachweist, erkennt er nicht an: „Da steht zwar mein Name, aber meine Unterschrift ist das nicht.“

Auch andere ehemalige VW-Arbeiter, darunter João Batista da Rocha Lemos, der am Nachmittag angehört wurde, bestätigten ein Klima des Terrors und der Überwachung in der Fabrik: „Wir fühlten uns ständig beobachtet und verfolgt.“ 1980 wurde Batista aufgrund seiner Beteiligung an den Streiks entlassen. „Mein Leben war danach sehr schwierig“, erklärte er. Sein Name stand auf einer der Listen, die das Unternehmen an die staatlichen Sicherheitsapparate und andere Unternehmen weiterreichte. Er fand keine Anstellung in einer anderen Firma.

„Ich will, dass VW seine Schuld anerkennt und sich entschuldigt“, richtete sich Batista an die Anwälte des Konzerns: „Es ist offensichtlich, dass meine Entlassung mit der politischen Verfolgung zusammenhing. Ist es dem Unternehmen klar, was mit den Personen passierte, die es bei der Polizei denunzierte?“

Von Laura Burzywoda
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