Gericht in Brasilien setzt Deal zwischen Bergbauriesen und Staat außer Kraft

Richterin annulliert Abkommen zwischen Behörden und Samarco über Reparationen für Umweltschäden. Sie fordert die Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung

Brasilía. Der Kampf um die Übernahme der Folgekosten des Dammbruchs bei Mariana vom vergangenen November in Brasilien geht weiter. Per einstweiliger Verfügung hat die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes, Diva Malerbi, das Abkommen zwischen brasilianischen Bundesbehörden, den Bundesstaaten Minas Gerais und Espírito Santo sowie dem Bergbauunternehmen Samarco außer Kraft gesetzt. Eigentümer von Samarco sind Vale und BHP Billiton, zwei der drei größten Bergbauunternehmen der Welt. Das milliardenschwere Abkommen sieht unter anderem eine gemeinsame Stiftung vor, aus der Gelder für Wiederaufbau und Renaturalisierung der durch den Staudammbruch verwüsteten Gebiete bezahlt werden sollen.

Die durch den Dammbruch ausgelöste Welle aus Schlick und Abbauresten der
Eisenerzminezerstörte das angrenzende Dorf Bento Rodrigues
QUELLE: ANTONIO CRUZ/AGÊNCIA BRASIL


Die Richterin begründete die Entscheidung zum einen mit formalen Aspekten. Demnach hätte die Vereinbarung nicht über das Schlichtungsverfahren des Bundesgerichtes getroffen werden dürfen. Denn dieses hatte bereits im Januar 2016 beschlossen, dass alle Fragen den Dammbruch betreffend der Regionalkammer des Gerichtes im betroffenen Bundesstaat Minas Gerais obliegen. Folglich übergehe der Vertragsabschluss die zuständige Instanz und verletze diese Entscheidung des Obersten Gerichts, so Malerbi.

Zum anderen kritisierte die Richterin die Inhalte des Deals. Insbesondere sei nicht zu erkennen, wie die betroffene Bevölkerung bei der Diskussion um Folgeschäden bei den Planungen für den Wiederaufbau einbezogen werde. Angesichts der Ausmaße der Schäden wäre „eine größtmögliche Debatte empfehlenswert“, mahnte Malerbi an. Sie forderte öffentliche Anhörungen und die Beteiligung betroffener Bürger, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und lokaler Vertreter.

Die Auflösung des Abkommens hat maßgebliche finanzielle Folgen. Nach langen Verhandlungen hatten sich staatliche Behörden und Unternehmen auf die Gründung einer Stiftung für den Wiederaufbau geeinigt. Daran sollte sich auch der brasilianische Staat beteiligen. Angesichts der enormen Schäden war man davon ausgegangen, dass das verantwortliche Unternehmen die Kosten in Milliardenhöhe nicht allein tragen könne.

Die Richterin folgte mit ihrer Entscheidung dem Antrag der Staatsanwaltschaft von Minas Gerais. Diese sah durch die enge Kooperation die unabhängige Aufarbeitung gefährdet. Die Staatsanwaltschaft hatte Ende Juni eine Studie veröffentlicht, die daraufhin deutet, dass sich der Dammbruch in Folge von Arbeiten an der Staumauer ereignet hatte. Auch ist unlängst bekannt geworden, dass das Unternehmen Samarco sogar mit einem Bruch des Abbausees rechnete und Überlegungen zur Umsiedlung des später tatsächlich unter Abbauresten begrabenen Dorfes Bento Rodrigues angestellt hatte.

Unterdessen gab das Bergbauunternehmen bekannt, dass es das Urteil anfechten werde. Die Auflösung des Vertrages beeinträchtige jedoch nicht die darin geregelten Auflagen für das Unternehmen, so Samarco. Man wolle alle Auflagen vollständig umsetzen.

Die Vereinten Nationen (UN) hingegen lobten die Entscheidung des Gerichts ausdrücklich. „Die Annullierung des Abkommens ist eine perfekte Chance, eine ganzheitliche Untersuchung unter Berücksichtigung der Menschenrechte bei der Umsetzung der Reparationen und der Kompensationszahlungen mit Transparenz und öffentlicher Beteiligung durchzuführen“, bekräftigten UN-Experten in einer Mitteilung in Genf.

Von Mario Schenk
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