Brasiliens Interimsregierung will Zugang zu Öl für transnationale Konzerne erweitern

Geheime Absprachen zwischen Außenminister José Serra und Chevron. Gesetz wurde kurz vor der Amtsenthebung von Dilma Rousseff durch den Senat gepeitscht.

Rio de Janeiro. Die brasilianische De-facto-Regierung plant große Teile des heimischen Erdölsektors zu veräußern. Durch eine Gesetzesreform soll der Zugang zu den mehreren Billionen US-Dollar schweren Erdölvorkommen Pré-Sal vor Brasiliens Küste für internationale Ölkonsortien geöffnet werden. Des Weiteren will der neu eingesetzte Präsident des Erdölkonzerns Petrobras, Pedro Parente, am Plan der Anteilsverkäufe des größten Unternehmens Südamerikas festhalten. Diese waren bereits unter der Regierung der Arbeiterpartei (PT) begonnen worden.

Unter dem Motto „Fora Temer“ protestierten am Freitag tausende Menschen in über
34 Städten gegen die neoliberale Interimsregierung unter Michel Temer
sowie gegen die Privatisierung des Erdölkonzerns Petrobras
QUELLE: MARIO SCHENK


Laut Parente sei der Verkauf von Aktien notwendig, um den Etat des mehrheitlich staatlichen Konzerns zu stärken und die Schulden zu verringern. Zuletzt wiesen diese ein Volumen von 116 Milliarden Euro gegenüber einem Jahresumsatz von rund 90 Milliarden Euro auf. Auch verteidigte er die geplante Änderung des Fördergesetzes der größten Erdölvorkommen des Landes, dem sogenannten Pré-Sal-Gebiet. Parente forderte größere private Beteiligungen und die Zulieferung der staatlichen Ölindustrie nicht auf den heimischen Markt begrenzen zu müssen.

„Das Gesetz in seiner aktuellen Form bedient weder die Interessen der Firma noch des Landes. Sollte es nicht reformiert werden, wird sich die umfassendere Förderung der Pré-Sal-Vorkommen auf unbestimmte Zeit verzögern“, sagte er am Tag seines Amtsantrittes vergangene Woche. Dringend erforderlich seien Partnerschaften mit anderen Ölkonzernen. Früheren Leitungen der Petrobras sowie den PT-Regierungen warf er vor, die soziale Funktion des Konzerns über das Unternehmen gestellt zu haben.

Dies soll sich nun ändern. Die bereits im März 2015 unter der Regie des damaligen Senators und derzeitigen Außenministers, José Serra von der neoliberalen Partei PSDB eingebrachte Gesetzesreform PLS 131-2015, soll die „exklusive Stellung der Petrobras bei der Förderung beenden“, so der Kabinettschef der Interimsregierung, Eliseu Padilha. „Alles was wir in Partnerschaft mit dem Privatsektor machen können, wollen wir so schnell wie möglich machen“, versprach er vergangene Woche.

Mit der Änderung des Pré-Sal-Gesetzes geht auch ein Wunsch des US-Ölkonzerns Chevron in Erfüllung. Im Zuge der Wikileaks-Veröffentlichungen von Telegrammen des US-Außenministeriums im Dezember 2010 wurde bekannt, dass sich US-Ölkonzerne in hohem Maße ihre Unzufriedenheit mit dem damals neuen Fördergesetz erkennen ließen. Die Telegramme zeigten aber auch, dass der damalige Präsidentschaftskandidat José Serra 2009 in inoffiziellen Gesprächen versprach, die Regelungen rückgängig zu machen, sollte er an die Macht kommen.

Gegenüber der bei Chevron für Geschäfte mit der brasilianischen Regierung zuständigen Patricia Pradal äußerte Serra laut Wikileaks: „Lass diese Typen [von der PT] mal machen, was sie wollen. Die Versteigerungen von Bohrrechten [unter dem neuen Gesetz] werden zu nichts führen, und dann werden wir zeigen, dass das alte Modell funktionierte … und wir machen es wieder rückgängig“.

Fünf Jahre später erweist sich dieses Versprechen als hochbrisant. Ende Februar dieses Jahres lag die Gesetzesänderung plötzlich mit einem Dringlichkeitsantrag dem Senat zur finalen Abstimmung vor. Senator Roberto Requião vom damaligen Koalitionspartner der PT und der nun regierenden konservativen PMDB kritisierte den „Zeitdruck“, mit dem das Gesetz durch die Ausschüsse des Senats gejagt wurde. „Warum dieser Wunsch nach Eile? Wem dient das? Was steckt dahinter?“, stellte er das Verfahren öffentlich in Frage. Seit Jahren seien die Wikileaks-Telegramme bekannt, erinnerte Senator Lindbergh Farias (PT) in dem Zusammenhang. „Viele Leute haben es nicht geglaubt, die großen Medien haben es unter den Tisch gekehrt“.

Von Mario Schenk
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